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AvP Insolvenz – Skandal um Apotheken-Abrechner

2. Oktober 2020

Der Apotheken-Abrechners AvP Deutschland GmbH hat am 15.09.2020, beim Amtsgericht Düsseldorf einen Insolvenzantrag gestellt. In diesem Zuge hat das Amtsgericht Düsseldorf Herrn Rechtsanwalt Dr. Jan-Philipp Hoos zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ermittelt nunmehr die genauen Gründe für die Insolvenz des Apotheken-Abrechners AvP Deutschland GmbH, eines der großen Rezeptabrechner Deutschlands. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch nun wegen Bankrott. Nachdem Anfang September zahlreiche Zahlungen an Apotheken ausgeblieben sind, stellte die Finanzaufsicht Bafin einen Insolvenzantrag für AvP. Zudem sind weitere Insolvenzverträge für die Tochterunternehmen der AvP gestellt worden.

Betroffen sind rund 3.500 Apotheken, die Kunden des Abrechners waren. Schätzungen zufolge fehlen jedem Kunden im Durchschnitt 120.000 Euro, in Einzelfällen schuldet er einigen Apotheken 600.000 Euro. Dies sind mehr als 400 Millionen Euro. Ebenfalls fürchten auch Krankenhausambulanzen eine Existenznot.

 

Das Geschäftsmodell der AvP Deutschland GmbH

Apotheken scannten die Rezepte der Kunden ein und übergaben es der AvP Deutschland GmbH, der als Dienstleister agierte. Die AvP reichte die Rezepte an die Krankenkassen weiter, wickelte mit ihnen die Zahlungsgeschäfte ab und überwies das Geld an die Apotheken. Daher ist es überhaupt fraglich, wie es bei solch einem Geschäftsmodell überhaupt zu einer Insolvenz kommen konnte.

 

Auswirkungen für die Apotheken

Die Frage, welche weitreichenden Folgen dies für die Apotheken haben wird, sei nach der Ansicht des eingesetzten Insolvenzverwalters Dr. Hoos gesondert zu prüfen, da mit Apotheken unterschiedliche Vertragsvereinbarungen und verschiedene AGB getroffen wurden, die zum Großteil widersprüchlich sind. Die Gelder der Apotheken sollten demnach in Treuhandkonten geschützt worden sein, dies würde den Apotheken ein Aussonderungsrecht gewähren, und die Gelder würden nicht in die Insolvenzmasse fallen. Es gäbe allerdings keine Treuhandkonten bei den AvP Deutschland GmbH, jedoch können eventuell Aussonderungsrechte für die Apotheken bestehen. Zudem würde der Insolvenzverwalter die bei AvP noch gelagerten Rezepte als vorgefundenes Geld bewerten würde, die als Teil der Insolvenzmasse mitberechnet werden können, erklärt Rechtsanwalt Sascha C. Fürstenow.

 

Anfechtung erhaltener Zahlungen?

Schlimm genug, dass Zahlungen (erst einmal) ausbleiben. Für die Apotheken besteht zudem die Gefahr, dass der (vorläufige) Insolvenzverwalter bereits von der AvP geleisteten Zahlungen im Rahmen einer Insolvenzanfechtung zurückverlangen könnte, meint Rechtsanwalt Fürstenow. Nach § 130 InsO dürften die Zahlungen als sogenannte „kongruente Deckung“ nicht anfechtbar sein, wenn die Apotheken einen vertraglichen Anspruch auf die Zahlung der Gelder hatten. Wurde das Geld jedoch zu einem Zeitpunkt gezahlt, zu dem es noch nicht fällig war, kann es als „inkongruente Deckung“ nach § 131 InsO in einigen Fällen anfechtbar sein. Denn problematisch könnte sein, dass den Apotheken teilweise nicht fällige Vorschüsse ausbezahlt wurden, die die Voraussetzung einer „inkongruenten Deckung“ erfüllen.

 

Handlungsmöglichkeiten für betroffene Apotheken

Aufgrund des zerstörten Vertrauensverhältnisses sollte geprüft werden, ob für die Apotheker ein außerordentliches Kündigungsrecht besteht, ihre Verträge mit der AvP fristlos mit der Begründung zu kündigen, dass ihnen die Fortführung des Geschäftsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann, so Rechtsanwalt Fürstenow.

 

Des Weiteren sollten sich Apotheker auf die Suche nach einem neuen Abrechnungszentrum machen, um aktuelle Rezepte abrechnen zu können. Insbesondere sollten die Rezepte, die sich noch in den Apotheken befinden, an das neue Abrechnungszentrum eingereicht werden um das Risiko einer Retaxation zu verringern und um die Zahlungsverpflichtungen fristgerecht erfüllen zu können.

 

Zwar können Förderkredite hilfreich sein, die Liquiditätslücke zu schließen. Ob ein Förderungskredit pauschal gesagt sich lohnen würde, muss für jede Apotheke individuell überprüft werden, so RA Fürstenow. Denn jede Apotheke hat unterschiedliche Ersparnisse, Ausgaben usw. Zudem rät RA Fürstnow für den zukünftigen Schutz der Apotheken, Verträge mit mehreren Lieferanten und Abrechnungsdienstleister zu schließen, um das Risiko auf verschiedene Weise zu verringern.

 

Zudem hat der Insolvenzverwalter Apotheken, die vor 2003 Verträge mit AvP geschlossen haben oder ganz aktuelle Verträge besitzen, ein mögliches Aussonderungsrecht zugesprochen. Dies sei daher möglich, da zum Großteil der Verträge nur eine bedingte Forderungsabtretung vereinbart worden ist. So würde die Forderung nicht in die Insolvenzmasse miteinfließen.

 

Insolvenz in Eigenverwaltung

Das Verfahren der Eigenverwaltung könnte für Apotheken auch eine realistische Chance sein, um die Fortführung und den Erhalt der Apotheke zu sichern. Die Sanierung der Apotheke erfolgt dadurch also weiterhin unter Beteiligung des bisherigen Managements.

 

Ein neuer Funken Hoffnung für Apotheken: Rabattverfall

Den Krankenkassen wurde ein Preisnachlass von zumeist 5 Prozent zugesprochen, wenn sie innerhalb von zehn Tagen nach Rechnungseingang zahlten. Dieser sog. Apothekenrabatt („Apothekenabschlag“) ist in § 130 SGB V festgeschrieben. Dem Insolvenz-Gutachten zufolge haben die Krankenkasse auch dann einen Rabatt erhalten, wenn sie nicht innerhalb der vorgesehenen Frist zahlten. Die AvP hätte die Forderungen aus dem Rabattverfall gegenüber den Kostenträgern geltend machen müssen, allerdings sei dies seit 2013 nicht erfolgt, obwohl in den Jahresabschlüssen so getan wurde, als habe das Unternehmen die Ansprüche geltend gemacht. Dabei seien „erhebliche Erträge“ aus den Rabattverfallforderungen gebucht wurden, die dem Unternehmen nie zugeflossen sind. Da Krankenkassen aufgrund des Rabattabzugs als zuverlässig gelten, stellt sich die Frage, ob diese tatsächlich verspätet gezahlt haben und es wird ermittelt, inwieweit Ansprüche gegenüber Kostenträgern bestehen.

 

Sollten Sie auch zu einer der betroffenen Apotheken gehören und eine Beratung oder Interessenvertretung wünschen, so können Sie sich gerne an Herrn Rechtsanwalt Fürstenow wenden.

Der Rechtsrat wurde von der Mitarbeiterin der FÜRSTENOW Anwaltskanzlei, Frau Dastan, erstellt.