Negativzinsen und Verwahrentgelt auf Girokonten nur teils zulässig – BGH entscheidet zugunsten von Verbrauchern
Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 04.02.2025 entschieden, dass die Klauseln zu Verwahrentgelte (Negativzinsen) in den Verträgen der Banken und Sparkassen für die Einlagen auf Spar- und Tagesgeldkonten unwirksam sind (Az. XI ZR 183/23; XI ZR 161/23; XI ZR 65/23; XI ZR 61/23). Die für die Girokonten geltenden Verwahrentgeltklauseln sind zwar grundsätzlich zulässig, jedoch nur, wenn sie für Verbraucher transparent genug sind und erkennen lassen, auf welches Guthaben sich das Verwahrentgelt bezieht. In diesem Artikel stellt Rechtsanwalt Sascha C. Fürstenow diese Urteile näher dar und zeigt die Folgen für Verbraucher auf.
Die EZB und Negativzinsen
Im Jahre 2014 führte die EZB erstmals den Negativzins ein. Die Banken und Sparkassen mussten der EZB Zinsen zahlen, um ihr Geld dort sicher anzulegen oder temporär zu parken. In dem Zeitraum betrug die Zinsen 0,5 Prozent. Diese Kosten wurden auf die Kunden weitergeleitet und die Banken führten somit Verwahrentgelte in Form von Negativzinsen ein. Während Verbraucher Zinsen für ihre Einlagen erzielen sollten, mussten sie stattdessen Negativzinsen auf ihr Kontoguthaben zahlen. Erst im Jahre 2022 wurden die Negativzinsen in der EZB abgeschafft und die Verwahrentgelte in den Banken reduziert. Diese Geschäftspraxis hielten die Verbraucherzentralen für unzulässig und verklagten in vier Verfahren verschiedene Banken und eine Sparkasse.
Zum Sachverhalt
Im Zeitraum zwischen 2019 und 2022 hatten verschiedene Banken und Sparkassen Klauseln zu Negativzinsen (Verwahrentgelt) eingeführt und Negativzinsen von den Verbrauchern erhoben. Die Verbraucherzentrale Sachsen, Verbraucherzentrale Hamburg sowie die Verbraucherzentrale des Bundesverbands sind gegen die Verwahrung von Einlagen auf das Tagesgeld-, Spar- und sogar Girokonten vorgegangen. Der BGH gab ihnen Recht. Dass die Banken im Zeitraum 2014 und 2022 Negativzinsen auf bestimmte Einlagen bei der EZB zahlen mussten, rechtfertigt nicht die Einführung des Verwahrentgelts auf die Tagesgeld- und Sparkonten der Verbraucher.
Negativzinsen stellen Widerspruch zum Spar- und Anlagezweck
Die Klauseln über die Verwahrentgelte für die Einlagen auf Tagesgeld- und Sparkonten unterliegen laut dem BGH einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, weil sie die von der Bank geschuldete Hauptleistung abweichend von der nach Treu und Glauben geschuldeten Leistung verändern. Die vorgeführten Klauseln hielten der Inhaltskontrolle nicht stand, da sie von den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichen. Einlagen auf Tagesgeld- und Sparkonten dienen nicht nur der sicheren Verwahrung von Geldern, sondern auch Anlage- und Sparzwecken – diese sollen durch Zinsen vor Inflation geschützt werden. Negativzinsen würden dem Vertragszweck somit entgegenstehen und den Spar- und Anlagezweck dadurch widersprechen. Das stellt eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher gemäß § 307 Abs. 1 BGB dar, erklärt Rechtsanwalt Fürstenow.
Verwahrung von Girokonto-Guthaben sei Hauptleistung
Die Klauseln für Girokontoverträgen seien anders zu betrachten laut dem Urteil, weil das Verwahrentgelt eine Hauptleistung aus dem Girovertrag darstelle und somit keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliege. Doch auch hier haben die vorliegenden Klauseln gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen und sind somit auch unwirksam. Sie seien bezüglich der Höhe des Verwahrentgelts nicht transparent genug, sodass die Verbraucher ihre wirtschaftlichen Belastungen nicht hinreichend erkennen können. Zudem würden die Klauseln nicht ausreichend darüber Auskunft geben, auf welches Guthaben sich das Entgelt beziehe. So kann es passieren, dass die auf Girokonten bestehenden Guthaben infolge der Verbuchung innerhalb eines Tages mehrfach ändern können. Für die Verbraucher sei es zudem fraglich, ob die Berechnung des Verwahrentgelts taggenau erfolgen soll und bis zu welchem Zeitpunkt Tagesumsätze auf den Girokonten berücksichtigt werden sollen.
Klauseln zu Entgelten für Ersatz-BankCard und Ersatz-PIN
Darüber hinaus hat der BGH in dem Urteil entschieden, dass auch die Entgeltklauseln für die Ausstellung einer Ersatz-BankCard sowie Ersatz-PIN unwirksam sind, da sie gegen das Transparentgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen (Az.: XI ZR 161/23). Die Klauseln weisen zwar drauf hin, dass der Verbraucher zur Zahlung verpflichtet ist, wenn die Bank weder gesetzlich noch vertraglich dazu verpflichtet ist, eine Ersatzkarte oder Ersatz-PIN auszustellen. Wann solch eine Pflicht für die Bank tatsächlich besteht, wird jedoch nicht verständlich genug in den Klauseln erläutert, wie z.B. im Fall eines Diebstahls oder Verlust. Somit sind die Klauseln nicht verständlich genug für den Verbraucher.
Rückforderung möglich?
Die aktuelle Entscheidung des BGHs zugunsten der Verbraucher ist eine erfreuliche Nachricht, regt sie jedoch auch zur sofortigen Handlung auf. Obwohl jetzt gewiss ist, dass die zu Unrecht gezahlten Negativzinsen zurückgefordert werden können, hat der BGH eine automatische Rückzahlung an die betroffenen Verbraucher abgewiesen. Dies bedeutet, dass betroffene Kunden schnellstmöglich ihre Verträge und Kontoauszüge überprüfen und kontrollieren sollten. Auch Inhaber von Girokonten sollten die Vertragsklauseln genau überprüfen lassen, da die vorgeführten Klauseln in den vier Verfahren nicht standgehalten haben. Für die Verbraucher ist eine rechtliche Beratung unumgänglich – auch um Rückzahlungsansprüche bei den Banken geltend zu machen und gegebenenfalls die Verjährung der Ansprüche zu umgehen. Rückzahlungsansprüche aus dem Jahr 2022 sind bis Ende des Jahres 2025 noch nicht verjährt. Es ist auch gut möglich, dass darüber hinaus ältere Ansprüche noch nicht verjährt sind, wenn verjährungshemmende Maßnahmen bereits ergriffen wurden. So können in bestimmten Fällen viel ältere Zahlungsforderungen geltend gemacht werden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Um ihren individuellen Rückzahlungsanspruch überprüfen zu lassen, können Sie gerne Rechtsanwalt Fürstenow kontaktieren.