Im Jahr 2019 verabschiedete der Deutsche Bundestag, mit der Zustimmung des Bundesrats, das neue „Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechtes“ und reformierte damit das Sozialrecht umfassend. Es bündelt erstmals mehrere Anspruchsgrundlagen für Opfer physischer und psychischer Gewalt und passt die bisherigen Gesetze an bzw. verdrängt sie. Die Änderungen treten allerdings erst zum 01.01.2024 in Kraft.
Seitdem wurde das neue Gesetz jedoch schon oftmals kontrovers diskutiert und gelang, gerade mit Beginn der Corona-Pandemie 2020, in den Fokus mancher, die zwischen der Reform und den derzeitigen Krisen und Ereignissen einen Zusammenhang sehen. Gerade das Lastenausgleichgesetz (LAG), welches in den Jahren nach dem 2.Weltkrieg verabschiedet wurde, bietet oftmals Anlass zur Spekulation, da durch die Änderungen möglicherweise eine zwangsweise Finanzierung Krisengeschädigter, wie zuvor für Kriegsgeschädigte, durchgesetzt werden könne. So zumindest die Befürchtung mancher.
Doch sind diese Sorgen berechtigt? Um diese Frage zu beantworten, beleuchtet Rechtsanwalt Sascha C. Fürstenow in diesem Rechtsrat zunächst einmal den ursprünglichen Sinn und Zweck des Lastenausgleichs, sein Anwendungsgebiet, wer (zukünftig) Ansprüche stellen kann, sowie die Bedeutung und Einordnung der anstehenden Änderungen.
Wozu diente das Lastenausgleichsgesetz?
Das Lastenausgleichsgesetz ist in der Bundesrepublik Deuetschland zum 01.09.1953 erstmalig in Kraft getreten und richtete sich an Personen, die im 2.Weltkrieg oder in unmittelbarer Folge dessen, Schäden in ihrem Vermögen erlitten hatten und um andere besondere erlittene Nachteile auszugleichen.
Dabei handelte es sich bspw. um im Laufe des Krieges zerstörten Grund und Boden, Gegenstände, sowie zwangsweise verlassenes Eigentum, in Folge von Vertreibung.
Aber auch für in Folge der Währungsänderung von Reichsmark auf Deutsche Mark entstandene Nachteile durch fehlerhafte Umrechnung sieht das LAG Ausgleichszahlungen vor (vgl. §15 LAG).
Um dies stemmen zu können und gleichzeitig die entstandene soziale Ungleichheit im Land auszugleichen, wurden alle Bürger ab einem bestimmten, größeren verbliebenden Vermögenswert zu einer Zahlung in Höhe von 50% des Zeit-Vermögenswertes in einen Ausgleichsfond verpflichtet. Diese Zahlung konnte in Raten erfolgen bzw. Immobilien, die dies auf Grund Ihres Werten zumeist am häufigsten betraf, wurden mit Zwangshypotheken belastet.
Wofür ist das Gesetz heute noch aktiv?
Den Bürgern wurde vom Staat insgesamt über 30 Jahre lang Zeit gegeben, um Ihre Schulden zu begleichen, damit ist der Lastenausgleich offiziell 1983 beendet gewesen. Trotzdem besteht das Gesetz als solches, neben weiteren Entschädigungsgesetzen, bis heute weiter, um auch weiterhin begründete Ansprüche zulassen zu können, erklärt Rechtsanwalt Fürstenow. Da es glücklicherweise jedoch zu keinem weiteren Krieg in der Bundesrepublik gekommen ist und auch Ansprüche von Nachkriegsgeschädigten durch den demographischen Wandel bedingt abnehmen, hatte das Gesetz in Konsequenz zuletzt kaum mehr praktische Bedeutung, was auch den Grund für die Aktualisierung des Gesetzestextes darstellt.
Was bedeuten die aktuellen Änderungen durch Art. 21 Gesetz zur Regelung des Sozialentschädigungsrechts?
Der am 12.12.2019 verabschiedete „Art. 21 Gesetz zur Regelung des Sozialentschädigungsrechts“ bündelt mehrere Gesetze im neu geschaffenen 14. Sozialgesetzbuch, dem SGB XIV, um so Einheitlichkeit zu schaffen und dieses in die Moderne zu überführen. Dieses tritt am 01.01.2024 in Kraft. Die dadurch geschaffenen Änderungen betreffen damit nicht nur das LAG, sondern mehrheitlich vor allem auch das Bundesversorgungsgesetz (BVG) und weitere Gesetze. Auch dieses war bzw. ist mehrheitlich für die Belange von Kriegsgeschädigten verantwortlich. Durch die Änderungen wird, laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, leichter und besser auf die gestiegenen Ansprüche von bspw. Opfer von Gewalttaten, Terroranschlägen und sexuellem Missbrauch eingegangen werden können.
Durch die Schaffung dieses neuen Gesetzes wird das LAG, wie bereits erwähnt, dementsprechend inhaltlich und sprachlich an das SGB XIV angepasst, allerdings nicht von diesem verdrängt.
Dazu gehört u.a. die Anpassung in § 276 (1) S.3 LAG den (sprachlichen) Verweis auf das „Bundesversorgungsgesetz mit Ausnahme der Vorschriften über die Kriegsopferfürsorge“ durch „Fünften Kapitel oder nach § 143 oder nach § 151 des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch“ zu ersetzen. Zudem wird nun nicht mehr von „Kriegsopferfürsorge“, sondern „sozialer Entschädigung“ oder „fürsorglichen Leistungen“ gesprochen.
Die vom SGB XIV umfassten Entschädigungstatbestände sind derzeitig trotzdem Gegenstand vieler Theorien und Diskussionen, da neben den oben genannten Beispielen wie Gewalttaten und Kriegen zukünftig auch Impfschäden nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) mit abgedeckt werden, sowie die Angst mancher, unter dem Oberbegriff der „sozialen Entschädigung“ zukünftig für die Kosten sämtlicher Krisenzustände zwangsweise aufkommen zu müssen, so RA Fürstenow.
Was passiert am 01.01.2024 und sind Bedenken berechtigt, dass das Lastenausgleichsgesetz zur Finanzierung zum Beispiel von Pandemie-Schäden oder Wiederaufbau von Kriegsschäden reaktiviert werden kann?
Ab dem 01.01.2024 treten die beschlossenen Änderungen in Kraft und damit entfaltet auch das neue SGB XIV seine Rechtskraft. Teilweise bleiben die Gesetze als eigenständiges (angepasstes) Gesetz bestehen, teilweise werden diese ins SGB XIV überführt. In jedem Fall bleiben Ansprüche aus bestehend bleibenden Gesetzen vom neuen SGB XIV unberührt bzw. schließen diese sich gegenseitig aus.
So werden bisherige Ansprüche aus dem IfSG künftig zwar der besseren Übersicht halber in das SGB XIV überführt; Ansprüche, die sich darüber hinaus jedoch aus dem LAG ableiten lassen könnten, kann Rechtsanwalt Fürstenow hingegen nicht erkennen.
Zudem ist derzeitig in §60 IfSG eindeutig geregelt, dass der Bund die Kosten für, in diesem Falle, Impfschäden übernimmt was sich auch im neuen SBG XIV unter dem Punkt „Kostentragung durch die Länder“ genauso widerspiegeln wird, wie bisher (vgl. §§24, 135 SGB XIV).
Bereits im Laufe der Coronapandemie wurde zudem zu Problematik möglicher Finanzierungsmöglichkeiten eine Studie vom Finanzministerium in Auftrag gegeben, die sich unter anderem auch klar zur Wiedereinführung eines Lastenausgleichs Stellung bezog. So kam auch diese Studie zu dem Ergebnis, dass die Situation von damals nicht mit der derzeitigen vergleichbar sei und ein LAG damit unverhältnismäßig wäre.1 Sofern kein vergleichbares Ereignis Deutschland direkt betreffe, wäre dies also auch regelmäßig der Fall und die Wiedereinführung eines Lastenausgleichs ein zumindest äußerst schwieriges Unterfangen.
Auch die sprachlichen Anpassungen im LAG bereiten nicht etwa ein „neues“ Lastenausgleichsgesetz vor, sondern klären nur wichtiger Weise ab, unter welchen Voraussetzungen Ansprüche aus dem LAG künftig überhaupt in Frage kommen werden, so RA Fürstenow. Der sprachlich gewählte Begriff „soziale Entschädigung“, der von manchen als schwammig wahrgenommen wird, wird zudem gleich zu Beginn in §1 Abs. 1 SGB XIV definiert:
Die Soziale Entschädigung unterstützt Menschen, die durch ein schädigendes Ereignis, für das die staatliche Gemeinschaft eine besondere Verantwortung trägt, eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, bei der Bewältigung der dadurch entstandenen Folgen.
In Absatz 2 werden dann auch die schädigenden Ereignisse genauer eingegrenzt. Es befindet sich also alles in allem in einem sehr genau definierten und fest gelegten Rahmen und ist eben gerade kein offen gelassener Rechtsbegriff, wie von manchen dargestellt, die dies für Spekulationen benutzen.
FAZIT: Kein „Neues“ Lastenausgleichsgesetz in Sicht
Die Anpassung und Modernisierung des gesamten Entschädigungsrechts ist nach Auffassung von Rechtsanwalt Fürstenow ein überfälliger und wichtiger Schritt. Dabei wird auch nicht das, bis heute weiterbestehende, LAG dazu umfunktioniert, künftig die Bevölkerung für sämtliche Ansprüche aus Krisen oder Impfschädigungen bezahlen zu lassen. Vielmehr werden veraltete sprachliche Bausteine ausgetauscht und an die modernen Anforderungen dieses Gesetzes angepasst. Das dies zudem bereits im Jahre 2019 verabschiedet wurde, zeigt, dass kein geplanter zeitlicher Zusammenhang zu den derzeitigen Ereignissen bestehe. Die Ansprüche und auch die Finanzierung bleiben, wie bisher, in den meisten Fällen über den Bund und die Länder geregelt. Die Anforderungen, die an mögliche Ansprüche aus dem LAG gestellt werden, sind weiterhin hoch und stellen darüber hinaus trotzdem eine wichtige Hilfe für Opfer psychischer und physischer Gewalttaten.
Ein Anspruch aus bspw. Impfschäden wird zwar, wie bereits oben aufgezeigt, künftig über das SGB XIV geltend gemacht werden können, dies hat jedoch nichts mit dem LAG und der Finanzierung von Krisen bzw. Schäden über einen solchen zu tun.
Da jeder Fall jeweils individuell zu bewerten ist, ist es wichtig einen kompetenten Anwalt auf Ihrer Seite zu haben. Rechtsanwalt Sascha C. Fürstenow berät Sie hierzu gerne.
Der Rechtsrat wurde von dem Mitarbeiter der FÜRSTENOW Anwaltskanzlei, Herrn Ewert, erstellt.