Das Vorkaufsrecht soll dem Mieter die Möglichkeit eröffnen, im Falle des Verkaufs der Wohnung an einen Dritten, die Wohnung vorher selbst zu erwerben. Eine Berliner Mieterin machte von ihrem Vorkaufsrecht gebraucht, der Verkäufer verlangte von ihr aber einen höheren Kaufpreis. Das neuste Urteil des Bundesgerichtshofs entschied, dass ein Mieter, der von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch macht, nicht schlechter gestellt werden darf, als der Dritte und der Verkäufer keinen erhöhten Kaufpreis von der Mieterin verlangen darf.
Wie ist die Rechtslage?
Gemäß § 577 BGB steht dem Mieter einer Wohnung ein Vorkaufsrecht zu, wenn die Wohnung an einen Dritten verkauft werden soll und Wohneigentum nach Überlassung begründet wurde oder werden soll. Das Vorkaufsrecht entsteht durch das Schuldverhältnis, in diesem Fall durch das Mietverhältnis selbst, erklärt Rechtsanwalt Sascha C. Fürstenow.
Dem Mieter wird so ein persönliches, schuldrechtliches Vorkaufsrecht eingeräumt. Vorkaufsrecht heißt, dass der Mieter die Möglichkeit bekommt, darüber zu entscheiden, ob er die Wohnung zuerst erwerben möchte, wenn sie zum Verkauf angeboten wird. Der Grundsatz dabei ist aber laut dem Gesetz, dass der Vertrag mit dem Mieter, zu denselben Bedingungen zustande kommt, wie mit dem Dritten.
Damit der Vermieter den Vertragsinhalt kennt, muss der Verkäufer oder auch der Dritte dem Mieter den Inhalt des Kaufvertrages und die Unterrichtung unverzüglich mitteilen, gemäß § 469 BGB. Erst mit der ordentlichen Mitteilung wird die Ausübungsfrist ausgelöst. Wird der Inhalt des Kaufvertrags und die Unterrichtung über das Vorkaufsrecht also getrennt voneinander dem Mieter zugestellt, so beginnt die Frist erst, wenn beides in der angemessenen Form vorliegt.
Die Ausübungsfrist beträgt zwei Monate. Wenn sich aber der Mieter und der Verkäufer auf eine andere Frist geeinigt haben, dann gilt diese vor der gesetzlichen. Entscheidend für den Fristbeginn ist der Zugang des Inhaltes bei dem Mieter, nicht die Abgabe von dem Verkäufer. Wird der Kaufvertrag noch einmal abgeändert, zum Beispiel der Preis verringert, so beginnt die Frist erneut, wenn der neue Kaufvertrag dem Mieter zugegangen ist, so Rechtsanwalt Fürstenow.
Damit das Vorkaufsrecht ausgeübt werden kann, muss gemäß § 463 BGB ein Kaufvertrag mit einem Dritten über die Wohnung geschlossen werden. Wenn der Mieter das Vorkaufsrecht ausüben möchte, teilt er es dem Verkäufer in Form einer schriftlichen Erklärung, § 464 BGB, mit.
Die schriftliche Erklärung muss immer dem Verkäufer zugehen. In manchen Fällen ist der Vermieter nicht gleich der Verkäufer, dann ist die Erklärung trotzdem dem Verkäufer als Vorkaufsverpflichteten zuzustellen. Durch andere Verträge wie zum Beispiel bei einer Schenkung oder einem Tausch, verfällt der Anspruch nicht. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt ein fingierter Kaufvertrag zwischen dem Mieter und dem Verkäufer zustande. Der Vertrag enthält die Bedingungen, die der Vertrag mit dem Dritten gehabt hätte. Der Preis und andere Dinge auf, die sich die Parteien geeinigt haben, bleiben unverändert Vertragsinhalt.
Das BGH Urteil
Das BGB sieht eine Vereinbarung, die den Mieter benachteiligt als unwirksam an, § 577 BGB. Der BGH verdeutlicht in seinem neusten Urteil vom 23.02.2022 diesen Leitsatz. Der Mieter soll keinesfalls schlechter gestellt werden als der Erstkäufer. Daher darf sich auch der Preis, als einer der wichtigsten Bestandteile eines Kaufvertrags zwischen dem Mieter und dem Dritten nicht unterscheiden.
Die betroffene Mieterin wohnt in einer unsanierten Wohnung in Berlin. Für der Fall, dass der Verkäufer die Wohnung weiterverkaufen möchte, hatte die Mieterin ein Vorkaufsrecht. Der Verkäufer schloss einen Kaufvertrag mit einem Dritten über ihre Wohnung. Der Kaufvertrag enthielt eine Abrede darüber, dass die Wohnung 163.266 Euro kosten soll, wenn sie ohne ein bestehendes Mietverhältnis geliefert wird. Wenn die Wohnung mit dem bestehenden Mietverhältnis geliefert wird, sollte sich der Preis um zehn Prozent mindern.
Das bedeutet, der Dritte würde für die Wohnung weniger bezahlen, da durch den Kauf der Wohnung das Mietverhältnis mit der Mieterin weiter bestehen bleibt. Die Mieterin allerdings würde einen höheren Kaufpreis entrichten müssen, da mit dem Eigentumsübergang die Mieterin das Mietverhältnis beenden könne und die Wohnung anschließend zu einem höheren Preis weiterveräußern könne. Der Gedanke dahinter war derjenige, dass die Mieterin ab dem Zeitpunkt einen Vorteil gegenüber dem Dritten hätte und der erhöhte Kaufpreis dadurch gerechtfertigt wäre. Eine unbelastete Wohnung ist auf dem Markt mehr wert als eine, die mit einem Mietverhältnis belastet ist.
Der BGH entschied, dass diese sich unterscheidende Preisabrede nicht zulässig ist. Durch die Abrede, dass die Mieterin einen höheren Kaufpreis zu entrichten hat, stellt eine unzulässige und unwirksame Vereinbarung zulasten Dritter dar. Die Mieterin wird hier benachteiligt. Besonders schon im § 464 Abs.2 BGB soll gewährleistet werden, dass die Vorkaufsberechtigte, in diesem Fall die Mieterin, keine ungünstigeren Bedingungen treffen dürften als den Erstkäufer.
Da die Mieterin, die Wohnung aber unbedingt erwerben wollte, entrichtete sie die volle Summe unter dem Vorbehalt der Rückforderung an die Verkäuferin. Die Verkäuferin hat durch den Kaufvertrag einen Anspruch auf den Kaufpreis von 146.940 Euro.
Die Verkäuferin habe aber keinen Anspruch auf die 16.326,68 Euro, die die Mieterin an sie entrichtet hat. Das Geld, welches die Verkäuferin über die Summe erhalten hat, stellt eine Leistung ohne Rechtsgrund dar gemäß §812 BGB. Die Verkäuferin darf von der Vorkaufsberechtigten Mieterin keinen anderen Kaufpreis verlangen als von dem Dritten. Daher ist sie ihr zur Heraushabe, der Differenzsumme verpflichtet.
Während der Verhandlungen wurde auch eine andere Meinung vertreten. Ein unterschiedlicher Kaufpreis sei angemessen gewesen, da der Mieterin ein Vorteil aus der unvermieteten Wohnung entstehen würde. Dies sollte den erhöhten Kaufpreis rechtfertigen.
Weiter sahen andere den Kaufpreis abhängig gemacht von der Fortführung des Mietverhältnisses für angemessen. Der niedrigere Preis solle gelten, wenn das Mietverhältnis fortgeführt wird. Der BGH folgte dieser Meinung nicht, auch eine solche Abrede benachteilige den Mieter, weil ihm ein niedrigerer Preis verwehrt wird.
Rechtsanwalt Fürstenow berät Sie gerne in Fragen rund um das Immobilien-Vorkaufsrecht.
Der Rechtsrat wurde von der Mitarbeiterin der FÜRSTENOW Anwaltskanzlei, Frau Hetman, erstellt.