Unter gewissen Umständen können auch jetzt nach längerer Laufzeit noch Verbraucher ihre Darlehensverträge widerrufen, etwa
- bei Verwendung einer fehlerhaften oder fehlenden Widerrufsbelehrung bei Darlehensverträgen, die keine Immobiliendarlehensverträge sind,
- bei Immobiliendarlehensverträgen ohne Widerrufsbelehrung und
- bei Immobiliendarlehensverträgen, im Rahmen des Fernabsatzes, soweit die vorvertraglichen Informationspflichten missachtet wurden.
Was bedeutet Widerrufsrecht?
Das Gesetz räumt bei bestimmten Verbraucherverträgen dem Verbraucher das Recht ein, seine Willenserklärung auf Vertragsabschluss zu widerrufen. Damit kann er sich wieder vom Vertrag lösen. Hier ist aber eine bestimmte Frist zu beachten. Wurde nun der Verbraucher überhaupt nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, oder ist eine solche Widerrufsbelehrung fehlerhaft, so kann dies zur Folge haben, dass die Widerrufsfrist so lange nicht zu laufen beginnt, bis dieser Fehler behoben wurde. Dem Verbraucher verbleibt noch lange Zeit nach Vertragsschluss die Möglichkeit, sich durch Widerruf vom Vertrag zu lösen.
Jeder Verbrauchervertrag, bei dem ein Widerrufsrecht eingeräumt wird, folgt seinen eigenen Regeln. Dieser Beitrag beschränkt sich auf Verbraucherdarlehensverträge.
Am 21.06.2016 endete das „ewige“ Widerrufsrecht bei Immobiliendarlehensverträgen
Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie führte Art. 229 § 38 Abs. 3 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ein. Damit erlöschten Widerrufsrechte von Immobiliendarlehensverträgen, die zwischen dem Jahr 01.08.2002 und dem 10.06.2010 abgeschlossen wurden. Der so genannte „Widerrufsjoker“ für solche Immobiliendarlehensverträge wurde damit seit dem 21.06.2016 ausgehebelt, erklärt Rechtsanwalt Sascha C. Fürstenow.
Das Ende des „Widerrufsjokers“ betrifft aber nur Immobiliendarlehensverträge
Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB findet nur auf Immobiliendarlehensverträge Anwendung, die vor dem 10.06.2010 abgeschlossen wurden, wenn das Fortbestehen des Widerrufsrechts darauf beruht, dass die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass für Darlehensverträge, die nicht Immobiliendarlehensverträge sind, dies nicht gilt, so Rechtsanwalt Fürstenow.
Weiter gilt das Ende des „Widerrufsjokers“ nicht für Immobiliendarlehensverträge, die zwischen dem 10.06.2010 und dem 20.03.2016 abgeschlossen wurden.
Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB findet auch keine Anwendung auf Immobiliendarlehensverträge, die vor dem 10.06.2010 abgeschlossen wurden, wenn über das Widerrufsrecht überhaupt nicht belehrt wurde, wenn also die Widerrufsbelehrung nicht bloß falsch ist, sondern komplett vergessen wurde.
Mögliche Widerrufsmöglichkeit bei im Fernabsatz abgeschlossene Immobiliendarlehensverträge aufgrund Verletzung der vorvertraglichen Informationspflichten durch fehlerhafte oder unvollständige Informationen
Das Ende des „ewigen“ Widerrufsrechts durch Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB gilt also nur im Falle einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung. Die Widerrufsfrist beginnt aber auch dann nicht zu laufen, wenn der Immobiliendarlehensvertrag mittels Fernabsatze, also unter Hilfe von Fernkommunikationsmittel, abgeschlossen wurde und dem Darlehensnehmer vorvertragliche Pflichtinformationen nicht übermittelt wurden. Auch hierbei beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen, bevor der Darlehensnehmer nicht vollständig informiert worden ist, erklärt Rechtsanwalt Fürstenow.
Ein Fernabsatzgeschäft ist gegeben, wenn der Verbraucher den Darlehensvertrag ausschließlich mit Fernkommunikationsmitteln, wie etwa Post oder Internet, abgeschlossen hat, also gerade nicht eine Filiale des Darlehensgebers aufgesucht hat. Der BGH hat mit seinem Urteil vom 27.02.2018 klargestellt, dass sogar auch dann ein Fernabsatzgeschäft, wenn der Verbraucher die Geschäftsräume eines Darlehensvermittlers aufgesucht hat, vorliegt. Dies kann in der Praxis der Fall sein, wenn der Immobiliendarlehensvertrag über Darlehensvermittler, wie z.B. über Dr. Klein & Co. AG oder über Interhyp, vermittelt wurde oder das Darlehen durch Direktbanken wie die IngDiBa, die DKB oder die GMAC-RFC Bank, die sich jetzt ADAXIO AMC GmbH nennt, geschlossen wurde.
Wurde der Darlehensvertrag lediglich per Post übersendet und der Vermittler ist weder für die Bank tätig noch ist er Repräsentant der darlehensgebenden Bank und auch nicht Mitarbeiter oder bevollmächtigter Vertreter der Bank, dann liegt nach dem Urteil des BGH ein Darlehensvertrag unter Fernabsatz vor.
„An einem Vertragsschluss unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln fehlt es, wenn der Verbraucher während der Vertragsanbahnung persönlichen Kontakt zu einem Mitarbeiter des Unternehmers oder einem von dem Unternehmen bevollmächtigten Vertreter hat“, so der Leitsatz des BGH.
Fazit: Es macht stets Sinn, den Darlehensvertrag auf Fehler, die zu einem Widerrufsrecht führen können, zu überprüfen.
Auch wenn aufgrund von Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB der Widerruf eines Immobiliendarlehensvertrages nicht mehr möglich ist, so können weiterhin andere noch durchsetzbare Widerrufsgründe bestehen.
Sonstige Widerrufsmöglichkeiten
Die Gerichte haben immer wieder aus unterschiedlichen Gründen ein Widerrufsrecht angenommen.
Das Landgericht Düsseldorf bestätigte in seinem Urteil vom 15.12.2017 ein Widerrufsrecht des Darlehensnehmers deshalb, weil in den AGB des Darlehensvertrages eine Klausel enthalten war, durch die der Verbraucher die Fehlvorstellung erlangen könne, die Widerrufsfrist sei bereits abgelaufen. Auch kann ein Widerrufsrecht bestehen, wenn dem Darlehensnehmer im Vergleich zu dem damals üblichen Marktniveau zu hohe Zinsen abverlangt wurden. Ein Immobiliendarlehensvertrag im Rechtssinne setzt marktübliche Bedingungen voraus und ist gerade nicht gegeben. Damit wäre wiederum Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB, der nur auf Immobiliendarlehensverträge anwendbar ist, hier nicht einschlägig. Das Landgericht Hannover hat 2018 in einem anderen Zusammenhang festgestellt, dass ein deutlich überhöhter Zinssatz vom Darlehensnehmer verlangt wurde.
Das Landgericht Ravensburg stellte im September 2018 fest, dass eine Aufrechnungsklausel im Darlehensvertrag die Ausübung des Widerrufsrechts des Darlehensnehmers erschwert. Denn der Darlehensnehmer könnte sich dadurch von seinem Recht, den Widerruf auszuüben, abhalten lassen, was unwirksam sei.
Möchten Sie Ihren Darlehensvertrag auf die Möglichkeit eines (noch) bestehenden Widerrufsrecht überprüfen lassen? Rechtsanwalt Sascha C. Fürstenow übernimmt gerne die Prüfung Ihrer Darlehensvertragsunterlagen auf eine mögliche Widerrufbarkeit.